So entstehen also Legenden?!

Lysander erwachte. Das Wasser hier in der Tiefe hatte den charakteristischen rötlichen Schimmer angenommen, der immer dann auftrat, wenn über den Wellen die Sonne aufging.
Er streckte sich und erhob sich von seinem weichen Bett.
Der heutige Tag würde spannend werden und es war gut, dass er soviel geschlafen hatte. Der neue König von Aventerna Nova, Ptolemaion, hatte beschlossen, mit den Bewohnern der nahe gelegenen Inseln ein Handelsbündnis zu schließen und zu diesem Zweck sollten einige Aventi an die Oberfläche gehen und sich als Aufklärer unter die Menschen mischen.
Lysander war auch ausgewählt worden. Seine Art war charakteristisch für sein Volk: Er war ähnlich reserviert anderen Völkern gegenüber wie die Elfen, er neigte dazu die Oberflächenbewohner als rückständig zu bezeichnen und ihre kleinen Staaten an Aventerna, dem versunkenen Reich, zu messen. Er war aber auch von Herzen gut und konnte niemandem in Not Hilfe abschlagen. Seine Taten sprachen für ihn: Er warf sich immer an vorderster Stelle in ein Wagnis, wenn Leben in Gefahr waren. Aus diesem Grund und auch um der Tradition willen, hatte er, wie viele andere heilige Krieger des Okeanus, die Seefahrt gründlich studiert. Es kam nicht allzu selten vor, dass ein Schiff in einen Sturm geriet und eine Gruppe Aventi die Retter in der Not waren. Jedoch war er auch äußert ungeduldig, herrisch und verurteilend, was die Taten anderer anging. Wenn er das Gefühl hatte, dass ihm jemand seine Zeit raubte, dann verlor er schnell jeden Funken Mitgefühl. Generell legte er an so ziemlich alle anderen sich selbst als Maßstab an und seinem Selbstbild waren wirklich nur sehr wenige gewachsen.
Sorgen machte er sich allein wegen dieser Träume. Sie suchten ihn fast jede Nacht heim und führten ihm immer wieder vor Augen, was damals, vor vielen tausend Jahren, geschehen sein musste. Doch er gab sich größte Mühe es sich nach Außen hin nicht anmerken zu lassen.

Als er zum ersten Mal den Ozean vollständig verlassen hatte, war ihm sofort ein klammes Gefühl in der Brust entstanden. Nun waren diese Zeiten jedoch schon vergangen und er bewegte sich an Land und im Wasser mit derselben Sicherheit. Gerade stand er an Bord einer Brigantine, auf dem weiten Ozean, umgeben nur von Wasser, und sah Trypton, seinem loyalen Hippocampus, aus seinen meergrünen Augen dabei zu, wie er glücklich durch die Wellen glitt, während der Wind mit seinen hellbraunen Haaren spielte. Auf der hellen, leicht grünstichigen Haut seines entblößten Oberkörpers kristallisierte das Salz des Meeres. An Deck befanden sich noch vier seiner Freunde, allesamt Oberflächenbewohner, die sich, allen Erwartungen zum Trotz, seinen tiefen Respekt und seine Loyalität erworben hatten.

Er fühlte sich zuhause.

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